15.11.1994

Zwei Jahren nach der Wahl

DURCH GEWESENE DEUTSCHE DÖRFER DES BANATS (15) 

In Groß-Scham (amtlich: Jamu Mare; ung.: Nagyzsám) lebten 1940  2.532 Deutsche und hatten somit einen Anteil von etwa 75 bis 78 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Nach dem 2. Weltkrieg änderte sich alles sehr schnell und im bald zu einem „gewesenen deutschen Dorf" gewordenen Ort. 1977 zählte man hier neben den nur noch 515 Deutschen 1.033 Rumänen, 227 Ungarn und 105 Angehörige anderer Nationalitäten.
Bei der Volkszählung von 1992 mußte man aber nicht nur das Zusammenschrumpfen der deutschen Dorfgemeinschaft auf 51 Personen feststellen, sondern die gesamte Bevölkerungszahl war mit Ausnahme des rumänischen Bevölkerungsanteils rückläufig, sie sank von 1.880 auf nur noch 1.412 Personen.

Trotz dieser Lage wurde vor zwei Jahren, 1992, mit Andreas Höhn ein deutscher Vizebürgermeister als Kandidat der National-Liberalen Partei (Junger Flügel) gewählt. Es scheint nun, als würde sich immer der Vizebürgermeister vor die Presse stellen, wie dies am 19. April 1994 schon zum zweiten Mal geschah.

Die Probleme, über die er klagt, sind dieselben wie überall im Banat. An erster Stelle rangiert - wie könnte es anders sein - das finanzielle Loch im Gemeindebudget. Ohne Subventionen von staatlicher Seite würde die Gemeinde Pleite machen. Aus diesem Grund können sich die Bürger nur im Winter über eine funktionierende Straßenbeleuchtung freuen. Dafür ist aber die Brotversorgung in der ganzen Gemeinde durch die drei Bäckereien das ganze Jahr über gesichert. Man hat auch 80 Tonnen Schotter für die Instandsetzung der Kommunalstraßen (DC) anschaffen können. Auch das Trinkwassernetz soll durch neue Brunnenbohrungen erweitert werden. All diese „Errungenschaften" sind aber nur eine Bagatelle neben dem, was in einer normal funktionierenden Gemeinde erledigt werden müßte.

Es scheint als würde auch die Bodenverteilung niemals zum Abschluß kommen. Zwar sollten Ende März 1994  92 Prozent des Bodens schon verteilt gewesen sein, aber kein einziger Bodenbesitzer war damals im Besitz seiner Eigentumsurkunde. Auch dies kann als Anzeichen dafür gelten, daß sich in den zwei Jahren nach den ersten annähernd demokratischen und freien Kommunalwahlen in den banater Dörfern nichts geändert hat. Die demokratisch gewählten Bürgermeister und Gemeinderäte stehen nun mit gefesselten Händen in einem undemokratischen Staatsgebilde und erfüllen dieselbe Rolle, die ihre kommunistischen Vorgänger hatten: Sie tun und lassen nur das, was man von der Präfektur erlaubt.

Auch in dem zur Gemeinde gehörenden Dorf Klopodia (amtlich: Clopodia) war jeder vierte Einwohner ein Deutscher; bei insgesamt 446 Seelen stellten sie über 24 Prozent der Gesamtbevölkerung. 1940 bekannten sich sogar 713 Einwohner zum Deutschtum. 1977 waren in Klopodia von den 1.107 Einwohnern noch 164 Deutsche (neben 678 Rumänen und 150 Ungarn). Erstaunlich ist, daß sich hier bei der Volkszählung von 1992  57 Personen zum Deutschtum bekannten, das sind mehr als in Groß-Scham selbst. Wie viele von ihnen wirklich Deutsche waren, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist auch hier das drastische Sinken der Gesamtbevölkerung von 1.107 Personen 1977 auf 796 im Jahr 1992. Dies ist auch ein Zeichen des allgemeinen Zerfalls der ländlichen Ortschaften des Banats.

Aber Deutsche lebten 1940 auch in den rumänischen Dörfern Ferendia und Latunas und zwar 43 bzw. 48 Personen. Bei der Volkszählung von 1992 bekannten sich nur in Ferendia 3 Personen zum Deutschtum. Dafür gab es auch im zur Gemeinde gehörenden Dorf Gherman 3 Personen, die sich ebenfalls zum Deutschtum bekannten.

Oktober 1994   

Anton Zollner